Ich stand auf dem kleinen Schifferboot. Ich wusste, dass ich nicht hier her gehörte. Ursprünglich war ich auf der "Grünen Insel" geboren worden, auf den weiten Wiesen Irlands. Sein Besitzer hätte grosses mit ihm vorgehabt... Wäre da nicht sein blöder Vater gewesen.
Hätte sich meine Mutter nicht in den blöden Strassenhund verliebt. Dann wäre ich ein reinrassiger Deckrüde geworden und hätte für immer da bleiben dürfen. Sowie Nikk, mein Bruder. Der ist vermutlich heute noch da, in der kuscheligen Stube vor dem warmen Kamin. Vieleicht mit Mama.Vielleicht. Und Narnia, die war eh verkauft worden. Aber die hatte es gut. Die kam zu einem anderen Züchter. Wo sie ihr Futter hatte, ihre Menschen. Ich hingegen, ich nicht. Ich wurde von Mensch zu Mensch weitergegeben. Zuerst kaufte mich ein kleines Mädchen. Sie knuddelte mich den ganzen Tag, aber irgendwann hatte sie genug von mir und so steckten ihre Eltern mich in ein Tierheim. Da begann ich, mich mit anderen Hunden auseinander zu setzen. Zu lernen, dass man ohne Kämpfe sein eigenes Leben nicht schützen kann. Es war kein Tierheim. Es war die Hölle. Täglich wurde ich von anderen Hunden gebissen, vertrrieben. Ich hatte bald kein Fleisch mehr auf den Rippen, weil ich nicht an die Näpfe kam. Bis ich begann, zurück zu beissen... Und ich meine Boxer-Gene ins Spiel brachte. Irgendwann holte mich noch so ein Mensch ab. Ich lebte lange bei ihm, er war ganz nett zu mir. Aber irgendwann stand er nicht mehr auf aus seinem Bett, und ich wurde erneut weitergegeben. Ich war wohl zwei Jahre alt, als ich die bekanntschaft von Liz machte, mit ihrer charmanten Hündin Nevada. Liz nahm mich zu sich, ich war verstört durch den Verlust meines Herrchens und ich fasste kein vertrauen in sie. Nur Nevada, die half mir, zu mir selbst zurück zu finden... Oh ja, Nevada. Es war an einem wunderschönen, sonnigen Tag, als ich mit ihr in eine Kiste gesperrt wurde. Panik erfasste uns, wo war Liz geblieben? Als wir endlich aus der hölzernen und muffigen Kiste kamen, wurden wir von strahlender Sonne empfangen. Und von Liz. Sie war da. Das war das wichtigste. Wo wir waren, wusste ich nicht. In einem neuen Land. Die Sprache, die hier geredet wurde, verstand ich nicht. Auf alle Fälle war die Wärme hier gewöhnungsbedürftig. Unser neues Zuhause war aber ansonsten ganz prima. Bis auf den Spaziergang, damals. Es war auf der Strasse gewesen, und ein Auto war um die Ecke gebraust. Liz hatte es nicht gesehen. Aber Nevada. Und ich auch. Ich war zur Seite gerannt, in Panik. Hatte mich losgerissen. Nevada nicht. Sie war losgesprungen, direkt auf das Auto los. Sie wollte es stoppen. Damit es Liz nicht traf. Das in der Sonne metallisch glänzende, grau lackierte Auto erfasste sie. Als Liz begriff, was gerade geschehen war, war es schon zu spät. Nevada lag auf dem Hubraum des Autos, zitternd, ächzend. Alles war voller Blut. Ich sah, wie sie die Augen verdrehte, dann erneut zuckte. Und dann liegen blieb. Liz rannte auf sie zu. Der Autofahrer sprang aus seinem Gefährt. Ich hingegen, ich ergriff die Flucht. Ich wusste, dass die Menschen böse waren. Es war ganz klar. Nevada hatte ihr Leben für Liz gegeben. Das hätte Liz niemals für sie getan, bei aller Tierliebe nicht. Ich war weggerannt, ich hatte kein Zuhause mehr. Ich war über die Strassen gelungert, einsam, verstört, ängstlich. Keiner beachtete mich. Ich kam auch nicht in ein Tierheim. Zum Glück. Bis ich irgendwann an einem Hafen stand. Vor mir erstreckte sich das weite, weite Meer. Am besten reinspringen. Alles vergessen, alles aufgeben. Ich stand am Hafen, schaute in die Ferne. Oder abhauen. irgendwo hin, wo es keine Menschen gibt. Ein Fischer schaute mir zu. Dann lächelte er mir zu, und ich sprang zu ihm ins Boot. Er sagt nichts zu mir. Er gab mir kein Futter, streichelte mich nicht. Das war okay so. Ich hatte meine Ruhe. Er ruderte übers Meer, irgendwo blieb er dann einfach stehen, mit seinem Boot. Er begann, zu angeln. Ich schaute ihm zu, bis ich Land erkannte. Als hätte der Fischer meine GEdanken gelesen, steuerte er auf es zu. Er hatte eine traurige Miene auf, als er da hin sah. Eine Insel. Es sah nicht so aus, als gäbe es da Menschen. Ich schaute den Fischer an, lange, lange schaute ich ihn an. Dann sprang ich über die Kante des Bootes. Ich landete im Wasser, ein lautes Platschen ertönte. Mühsam paddelte ich mich mit meinen Beinen vorwärts. Ich schaute nicht zurück. Konzentrierte mich nur darauf, an Land zu kommen, aufs Schwimmen. Ich sah, wie die Insel immer Näher kam. Immer näher... Bis meine Pfoten Land spürten. Klitschnass trat ich an den leeren Strand, keine Seele war zu sehen. Keine Spur von Menschen. Ich schüttelte mich, das Wasser spritzte um mich. Als sich meine Atmung langsam beruhigte, drehte ich mich um, schaute übers Meer.
Das Boot war verschwunden.